Freizeit: Kinder schaffen insektenfreundliche Gärten

Biologische Vielfalt

In der Kleingartenanlage am Scharpenacker Weg schafft eine Gruppe junger Naturfreunde insektenfreundliche Gärten. Von dem WSW-Taler-Projekt sollen nicht nur jede Menge Nützlinge profitieren, sondern auch die Menschen. 

Es summt und brummt im Garten von Norbert Kowalski. Am Topf mit dem üppig wachsenden roten Basilikum und über den orange-goldenen Blüten der Sonnenbraut, die sich mit weit geöffneten Blüten der Sonne entgegenstreckt. Aus den Pflaumenbäumen dringt das fast meditativ anmutende Geräusch, ebenso von den feuchten Erdballen am Teich. Die emsigen Insekten stören nicht, sie bleiben für sich, wie bei einer Art Versammlung. Vor allem Bienen fühlen sich wohl bei dem Kleingärtner, der ihnen an vielen Stellen kleine Paradiese geschaffen hat. Flügelbebend heben sie von Pflanzen und Nisthilfen ab, fliegen ihres Weges, setzen woanders wieder auf.

Das vielfältige Angebot lockt auch Schmetterlinge­ an.

Vor 15 Jahren hat Kowalski seiner Frau zuliebe einen Garten beim KGV Scharpenacker Weg e. V. erworben. „Ackerland“ sei es zu Beginn gewesen, die Gestaltung anfänglich frustrierend. „Pflanzen gingen ein, ich wusste nicht, warum“, schildert der aktive Industrieofenmaurer seine Anfänge des Gärtnerns, für das er nach und nach Leidenschaft entwickelte. Heute ist Kowalski nach langem Amt als Arbeitsminister im Kleingartenverein im Vorstand, seit Anfang dieses Jahres in der Funktion des ersten Vorsitzenden. 2017 ließ er sich zum Fachberater für Kleingartenwesen ausbilden. „Das erworbene Wissen ist unbezahlbar“, sagt er. Seinem Garten sieht man es an.

Viele Pläne
Es war diese Ausbildung, die Kowalskis spürbare Faszination für Insekten und Kleinsäuger weckte. Insbesondere Bienen liebt er. „Wir haben mehr als 350 Wildbienenarten in Deutschland. Drei Viertel davon stehen auf der Roten Liste.“ Gegen das wachsende Artensterben durch Schwinden natürlichen Lebensraums will der Hobbygärtner etwas tun – zusammen mit vielen jungen Nachwuchs-Naturschützern. Dazu rief er das Projekt „Kinder schaffen insektenfreundliche Gärten“ ins Leben. Fokus liegt zunächst auf der Kleingartenanlage, soll sich aber sukzessive ausweiten, sagt der Bienenfreund. Während er im Hintergrund als Mittler agiert, sich um die Finanzierung kümmert und bei Planung und Organisation unterstützt, bauen die Kinder unter Anleitung und Aufsicht unter anderem Insektenhotels, Nistgelegenheiten und Futterstationen, legen Blumenteppiche an, errichten Steinhaufen und Trockenmauern. „Wir haben viele Pläne und fangen gerade erst an“, sagt Kowalski.

Zurechtgesägte Baumstammscheiben liegen schon bereit, sie sollen später als Nistgelegenheiten an der Außenwand des Vereinshäuschens hängen. Den Rand des Mitgliederparkplatzes ziert bereits ein wilder, zugleich durchdachter, wunderschön anzusehender Wuchs insektenfreundlicher Pflanzen, darunter violette Bienenweide, gelbe Ringelblume, fast pinkfarbener Wiesenklee. Schmetterlinge, Bienen und Hummeln fliegen von Blüte zu Blüte – die ersten Schritte zeigen Erfolg. „Hinter den Blumen möchten wir eine Totholzhecke anlegen, als Unterschlupf für Igel und Ringelnattern“, sagt Kowalski. Auch geführte Waldrallyes und Einblicke beim Honigimker stehen auf dem Programm.

Faszinierend: Die Kinder beobachten das Treiben im Blütenmeer.

Kowalskis Gartennachbarin Claudia Eberlein wird die Kindergruppen leiten. „Unser Ziel ist, uns ein- bis zweimal im Monat zu treffen. Je nachdem, wie es die Pflicht- und Freizeitpläne der Kinder zulassen.“ Unter anderem eine Bau- und eine Bastelgruppe solle es geben. „Damit vermitteln wir den Kindern spielerisch Theorie und Hintergründe rund ums Thema Bienen“, berichtet Kleingärtnerin Andrea Godglück, Mutter von Jonathan, mit fünf Jahren derzeit der jüngste angehende Nützling-Schützer. „Schön wäre, wenn wir möglichst viele Arten zurückholen könnten“, sagt Kowalski. Jonathan setzt sich für Bienen ein – obwohl er Käfer nach eigenen Angaben auch ziemlich „cool“ findet.

Hotel für Insekten
Melina Sturbeck kann sich auch mit dem Projekt identifizieren. „Es fühlt sich gut an, das macht nicht jeder“, erklärt die Zwölfjährige. „Das ist was Besonderes“, ergänzt die gleichaltrige Jana Syzdykova. „Wir helfen Lebewesen, die uns Menschen helfen.“ Über Bienen habe sie schon einiges in der Schule gelernt und freue sich auf den Bau eines Insektenhotels, während Lilly Siewert (11) und Lisa Nagel (12) basteln und Igel beobachten wollen. Apropos Schule: Damit das Projekt Kreise zieht und weitere junge und ältere Menschen dazu inspiriert, auch selbst etwas für die Bienen und Co. zu tun, planen die Verantwortlichen Kooperatio­nen mit umliegenden Schulen und Kindergärten. Auch die Nachbarschaft sei zum Mitmachen eingeladen.

Während der Einsatz im Sommer Bienen und anderen Insekten gilt, kommen im Herbst Igel und im Winter Vögel an die Reihe, wie Kowalski schildert. „Es geht uns grundsätzlich um alle Insekten und Kleinsäuger.“ Um Interesse, Wissen und Verständnis zu generieren und damit Vorbehalte unter anderem gegen vermeintliche „Verwilderung“ abzubauen, möchte das Team neben den unterschiedlichen Oasen in den teilnehmenden Gärten und auf dem Wegenetz Infotafeln aufstellen. Ihr Motto: Wenn alle an einem Strang ziehen, entsteht nicht nur wieder mehr biologische Vielfalt, sondern auch ein aktives menschliches Miteinander.