Freizeit: Kinderschutzambulanz Bergisch Land

Schutz für die Kleinsten

Kinder haben ein Recht auf Schutz und eine gewaltfreie Erziehung. Trotzdem erfahren viele Jungen und Mädchen Vernachlässigung, körperliche Misshandlung und sexuellen Missbrauch. Auch in Wuppertal. Aber es gibt Hilfe.

Kinder haben ein Recht auf Schutz und eine gewaltfreie Erziehung. Trotzdem erfahren viele Jungen und Mädchen Vernachlässigung, körperliche Misshandlung und sexuellen Missbrauch. Auch in Wuppertal. Aber es gibt Hilfe.

Niemand weiß genau, wie viele Kinder und Jugendliche betroffen sind. Die Dunkelziffer ist hoch. 2016 gab es beim Wuppertaler Jugendamt 836 Meldungen wegen „Kindeswohlgefährdung“, 674 Mal kam es zu einer „Inobhutnahme“, das heißt, Kinder mussten aus ihren Familien oder Pflegestellen herausgeholt und in Einrichtungen der Jugendhilfe untergebracht werden. Nur in den wenigsten Fällen kommt es dabei zu Strafanzeigen. Die Kriminalstatistik für das Jahr 2017 verzeichnet 61 Fälle von sexuellem Missbrauch Minderjähriger und neun Anzeigen wegen Misshandlung Schutzbefohlener in Wuppertal.

„Etwa bei jedem zehnten Anruf berichtet ein Kind von sexuellem Missbrauch.“ Kerstin Holzmann

Kinder und Jugendliche, die Opfer von Gewalt und Missbrauch geworden sind, aber auch viele Erwachsene, denen sie sich anvertrauen, wissen oft nicht, an wen sie sich um Hilfe wenden können. Eine Möglichkeit ist das Kinder- und Jugendtelefon des Kinderschutzbundes. Wer hier anruft, bekommt Hilfe und das natürlich streng vertraulich. Kerstin Holzmann ist Koordinatorin für dieses Angebot beim Wuppertaler Kinderschutzbund. „Etwa bei jedem zehnten Anruf berichtet ein Kind von sexuellem Missbrauch“, ist ihre Erfahrung. Im Gespräch geht es dann vor allem ums Zuhören und darum herauszufinden, wer konkret helfen kann. Das kann zum Beispiel ein Erwachsener aus dem persönlichen Umfeld wie ein Vertrauenslehrer oder eine Schulsozialarbeiterin sein. Die meisten Jungen und Mädchen scheuen den Gang zur Polizei. „Das ist auch verständlich, denn die Polizei muss dann ermitteln“, so Holzmann. Die meisten Täter leugnen die Tat und die Kinder haben Angst davor, dass man ihnen nicht glaubt und alles nur noch schlimmer wird. Täter sind in den meisten Fällen keine Fremden, sondern Menschen, die das Opfer kennt: Väter, Stiefväter, Opas, Onkel, Nachbarn. „Übrigens gibt es auch Frauen, die gegenüber Kindern übergriffig werden“, berichtet Kerstin Holzmann, „etwa die alleinerziehende Mutter, die ihren minderjährigen Sohn als Partnerersatz missbraucht.“

Seltener ist häusliche Gewalt ein Thema am Kinder- und Jugendtelefon. Prügel als Mittel der Erziehung hat zum Glück an Akzeptanz unter Eltern und in der Öffentlichkeit verloren. Dennoch gibt es immer noch Familien, in denen Gewalt an der Tagesordnung ist. „Ich habe den Eindruck, dass auch die Kinder das dann als etwas Normales empfinden und nicht nach einem Ausweg suchen“, meint Holzmann. Ein Anstoß zur Intervention kommt dann eher von außen.

Alltag mit Schlägen
Eine wichtige Anlaufstelle für Fälle von Vernachlässigung, Misshandlung und Missbrauch ist die Kinderschutzambulanz Bergisch Land in Remscheid. Es ist die einzige Einrichtung dieser Art im Umkreis. Wer einen Verdacht hat, dass Kinder misshandelt oder missbraucht werden, kann sich hier Rat holen. „Pro Jahr kümmern wir uns um etwa hundert Fälle aus Wuppertal“, berichtet die Leiterin der Ambulanz Birgit Köppe. Die Traumatherapeutin ist seit 26 Jahren hier tätig. „Was manche Kinder durchmachen müssen, ist für viele Menschen gar nicht vorstellbar“, sagt sie. Schläge, Vernachlässigung, Vergewaltigung seien für manche Mädchen und Jungen leider Alltag. Sie erinnert sich an ein Kind, das sie selbst aus einer Pflegefamilie geholt hat, „weil ich im Gespräch mit der Pflege­mutter ein ganz komisches Gefühl hatte“, so Köppe. Als sie auf einem Hausbesuch bestand, fand sie das Kind in einem vergitterten Kellerraum, der nur mit einer Matratze und einem Nachttopf ausgestattet war.

Wie ertragen Kinder so was? Oft ist es die Angst, die Familie zu zerstören. Birgit Köppe schildert den Fall eines jungen Mädchens, das den sexuellen Missbrauch durch den Stiefvater lange ertragen hat, weil sie dachte, die Beziehung zu diesem Mann würde ihrer Mutter guttun. „Sie wollte das Glück ihrer Mutter nicht zerstören“, sagt Köppe.

Kein soziales Problem
Welchen weiteren Weg die traumatisierten Kinder nehmen, die sie bei ihrer Arbeit kennenlernt, erfahren die Ärzte und Thera­peuten in der Kinderschutzambulanz nur selten. Zu kurz ist die Verweildauer in der ambulanten Therapie. Aber es gibt Ausnahmen: „Einmal hat sich eine junge Frau hier gemeldet, die im Kindergarten von einem Erzieher missbraucht worden ist und die wir hier behandelt haben. Sie konnte sich nicht mehr an den Missbrauch erinnern, aber an die Räumlichkeiten hier. Als Erwachsene war sie dann einfach neugierig, was das hier genau für eine Einrichtung gewesen ist. Und ich selbst konnte mich auch noch an den Fall damals erinnern“, erzählt Köppe.