Verkehr: Abschied vom GTW72

Tschö!

Die orange-blauen Schwebebahnen, die jahrzehntelang das Wuppertaler Stadtbild prägten, sind Geschichte. Im Juli wurde der letzte Wagen von der Schiene genommen. Viele Wuppertaler sagten „Tschö, GTW72!“

Die orange-blauen Schwebebahnen, die jahrzehntelang das Wuppertaler Stadtbild prägten, sind Geschichte. Mit der Außerbetriebsetzung der letzten Bahn der 72er-Generation endete eine Ära. Die orange-blauen Wagen waren die ersten „modernen“ Fahrzeuge im Fahrzeugpark des Wuppertaler Wahrzeichens. Bis zu ihrer Einführung bestand die Flotte im Wesentlichen aus Wagen der Bau­reihen 1900 und 1950. Nachdem aus jeweils zwei älteren Wagen 1962 bzw. 1965 die ersten Gelenktriebwagen als Prototypen zusammengebaut worden waren, wurde diese Bauweise Anfang der 70er Jahre Standard. Die Trieb­wagen waren dank eines beweglichen Mittelteils durchgehend begehbar und konnten bis zu 200 Fahrgäste aufnehmen. 

Der komplette Wagenkasten der neuen Bahnen bestand aus leichtem Aluminium. Sie verfügten erstmals über Allradantrieb und elektrische Bremsen. Die fahrdynamischen Eigenschaften ermöglichten höhere Durchschnittsgeschwindigkeiten als bei den alten Bahnen. Hersteller der Baureihe B72 war MAN in Nürnberg, die elektrische Ausstattung stammte von Siemens und Kiepe Bahn Electric, Vorgänger des Produzenten der aktuellen Bau­reihe Generation 15. Der erste Farbvorschlag für die neue Wagen­generation war Silber, dann ent­schieden sich die WSW aber doch für Orange und Blau. Automatische Türen und ein Fernsehbildschirm, über den das Ein- und Aussteigen der Passagiere überwacht werden konnte, ermöglichten es (ab 1974), die Bahn komplett vom Fahrerplatz aus zu bedienen und zu über­wachen. Zugbegleiter wurden dadurch überflüssig. Die Kosten pro Gelenk­triebwagen betrugen eine halbe Million D-Mark. Mit der Einführung der 72er-Bahnen gingen alle älteren Fahrzeuge – ausgenommen der Kaiser­wagen – außer Betrieb. Die meisten wurden verschrottet.

Neues Leben in Utopiastadt
Am 26. Mai fand die endgültig letzte öffentliche Fahrt einer orange-blauen Schwebebahn der Baureihe B72 durch Wuppertal statt. Hunderte Schwebebahnfans (nicht nur aus Wuppertal) nutzten die Gelegenheit, die alte Bahn noch einmal auf Foto und Film festzuhalten. Für seine letzte Runde benötigte Wagen 28 fast zwei Stunden. Schritttempo fuhr er allerdings nicht aus Altersschwäche, sondern um sich für die Fotografen angemessen in Szene zu setzten. Nach 47 Betriebs­jahren befindet sich die komplette Serie nun im Ruhestand. Mehrere der alten Bahnen sind in Wuppertal geblieben und haben eine neue Funktion als Bistro, Spielplatzhaus oder schwebendes Klassenzimmer gefunden. 

Beim Fest zum 90. Stadtgeburtstag am 29. Juni konnten alle Schwebebahnfans noch einmal vom Wagen 28 Abschied nehmen. Hunderte nutzen die Gelegenheit, an der Schwebebahn­station Vohwinkel Fotos des Gelenk­triebwagens zu machen. Besonders die Kinder freuten sich über das orange-blaue Wassereis, das es für 72 Cent zu kaufen hab. Anfang Juli wurde der letzte Gelenktriebwagen der Baureihe 1972 demontiert. Er wurde an den Verein Utopiastadt abgegeben.Text: Rainer FriedrichIm Juli wurde der letzte Wagen von der Schiene genommen. Viele Wuppertaler sagten „Tschö, GTW72!“