Energie: Stilllegung Heizkraftwerk Elberfeld

Die letzte Schicht

Vor 120 Jahren war es eines der modernsten Kohlekraftwerke in Europa. Jetzt stehen die Turbinen im Heizkraftwerk Elberfeld endgültig still.

Der 7. Juli 2018 war ein historischer Tag für Wuppertal. An diesem Datum haben WSW und AWG die neue Talwärmeleitung vom Müllheizkraftwerk Korzert nach Elberfeld in Betrieb genommen und gleichzeitig das Heizkraftwerk an der Kabelstraße offiziell stillgelegt. Das wichtigste Klimaschutzprojekt der letzten Jahrzehnte in der Stadt bedeutete das Aus für den traditionsreichen Kraftwerksstandort im Westen Elberfelds. 120 Jahre nach Baubeginn wurde dort der letzten Kubikmeter Heizdampf und die letzte Kilowattstunde Strom produziert.

Am 7. Juli 1898 begann der Bau des Kraftwerks Elberfeld. Der Standort an der Kabelstraße bot sowohl einen Eisenbahnanschluss für die Kohlelieferung aus dem Ruhrgebiet als auch Zugang zu Kühlwasser aus der Wupper. In Betrieb genommen wurde das Kraftwerk 1900, im selben Jahr, in dem Kaiser Wilhelm II. die Schwebebahn einweihte. Das neue Kraftwerk versorgte nicht nur große Industriebetriebe wie die Farbenfabriken Bayer & Co. und erste Privathaushalte mit Strom, sondern auch die Straßenbahn und die Schwebebahn. Produziert wurde die elektrische Energie mit einer Parsons-Turbine, zur damaligen Zeit ein echtes High-Tech-Produkt. Erst 16 Jahre zuvor hatte sich der Brite Charles Parsons seine Erfindung patentieren lassen. Die in Newcastle upon Tyne gebaute Maschine hatte eine Leistung von 1 000 Kilowatt. Um die Jahrhundertwende besaß Elberfeld damit eines der modernsten Kraftwerke auf dem europäischen Kontinent. 

Zwischen 1908 und 1910 wurden an der Kabelstraße zwei neue Kessel gebaut. (Foto: Archiv)

1920 fusionierte das kommunale Elberfelder Elektrizitätswerk mit dem Kraftwerk Kupferdreh zur Bergischen Elektrizitäts-Versorgungsgesellschaft (BEV), die auch Betreiberin des Kraftwerks Elberfeld wurde. Aufgrund des Stromangebots stieg auch die Nachfrage. Nicht nur im Gewerbe wurde Elektrizität zunehmend als Kraftquelle genutzt, auch in den Haushalten hielten mehr und mehr elektrische Geräte Einzug. Die Kraftwerkstechnik wurde fortwährend dem steigenden Verbrauch angepasst. Die Anlage an der Kabelstraße hatte 1925 eine elektrische Leistung von 10 000 Kilowatt. Seit 1927 hatte das Kraftwerk ein zweites wirtschaftliches Standbein. Es produzierte neben Strom auch Wärme. Die Hauptdampfleitungen des ständig wachsenden Fernwärmenetzes wurden entlang des Wupperufers gelegt.

Stromsperrtag
Der Zweite Weltkrieg hatte das Kraftwerk Elberfeld weitgehend verschont. 1948 wurde unter dem damaligen Wuppertaler Oberbürgermeister Robert Daum die Wuppertaler Stadtwerke AG als hundertprozentige städtische Tochtergesellschaft gegründet. Nach der Währungsreform setzte in der zerstörten Großstadt der Aufschwung ein. Allerdings gab es auch 1949 wöchentlich noch einen „Stromsperrtag“. Erst in den 50er Jahren wurde die unterbrechungsfreie Stromversorgung wiederhergestellt.

Bereits in den 30er Jahren hatte es Überlegungen gegeben, das Kraftwerk neu zu bauen. Der Krieg verhinderte jedoch dieses Vorhaben. Nachdem sich der Stromverbrauch in Wuppertal zwischen 1946 und 1955 mehr als verdreifacht hatte, ging man davon aus, dass sich in Zukunft der Stromverbrauch alle zehn Jahre verdoppeln würde. Ein größerer Neubau musste her und die WSW realisierten einen nüchternen Entwurf von AEG. Vom alten Gebäude blieb nur die Nordfassade des Maschinenhauses mit ihren drei Rundbogenfenstern erhalten.

In den 60er Jahren sollten durch die Nutzung von Erdgas die Brennstoffkosten im Heizkraftwerk Elberfeld reduziert werden. Die Umrüstung erfolgte zwischen 1969 und 1971. Die Möglichkeit, mit Kohle zu feuern, blieb erhalten. Man hatte die günstigere Stromrechnung jedoch ohne die Politik gemacht. Die Nutzung von Erdgas gefährdete die Arbeitsplätze der Kumpel im Ruhrgebiet. Die sozial-liberale Koalition unter Helmut Schmidt verabschiedete das Verstromungsgesetz zur Sicherung des deutschen Steinkohlebergbaus. Dies hatte unmittelbare Auswirkungen auf das Heizkraftwerk Elberfeld. Die WSW hatten sich verpflichtet, weit über 100 000 Tonnen deutscher Steinkohle jährlich zu verstromen. Das sollte vornehmlich in Elberfeld geschehen.

Bereits 1982 hatte man aus Umweltgründen den Elektrofilter und den Schornstein erneuert. Im Frühjahr 1985 fiel die Entscheidung, das Kraftwerk zu modernisieren. Die neue Anlage nutzte die innovative Wirbelschichtfeuerung, die eine bessere Wärmeaustausch ermöglichte und für weniger schädliche Gase sorgte. Als weithin sichtbares Zeichen der Erneuerung errichteten die WSW mit dem neuen 198 Meter hohen Kraftwerksschornstein Wuppertals höchstes Bauwerk. Die neue Anlage ging 1989 in Betrieb. Die Erzeugungsleistung der Turbinen im HKW Elberfeld betrug zuletzt 70 Megawatt für Strom und 198 Megawatt für Fernwärme.