wsw.info: Interview zum Starkregen

Wetter extrem

Gut, es waren heftige Regenfälle vorausgesagt, aber was dann am 29. Mai über Wuppertal runterkam, hatte niemand auf der Rechnung. Vollgelaufene Keller, überschwemmte Straßen, eingestellter Nahverkehr und eingestürzte Dächer. Die WSW-Fachleute Christian Massing, Leiter der Planung Entwässerung, und Uwe Schaube, Chef des Kanalnetzes, zu den Ereignissen.

wsw.info: Das war ja unfassbar, was da runtergekommen ist, haben Sie Ähnliches schon mal erlebt?
Massing: Definitiv nein! Der Starkregen­index reicht ja von 1 bis 12 und das war eine glatte 11, da ist man machtlos.
Schaube: In Dortmund und Münster gab es schon mal Regen der Stärke 12, da hat es Tote gegeben, da läuft es mir kalt den Rücken runter. Gott sei Dank lief es hier glimpflich ab. Massing: Das Besondere war auch die lokale Begrenzung, während Elberfeld „Land unter“ meldete, war Vohwinkel kaum betroffen.

Alles deutet daraufhin, dass wir öfter mit solchen Wetterkapriolen rechnen müssen. 
Massing: Ja, darauf werden wir uns einstellen müssen. Solch ein Regen wird häufiger auftreten und auch diese lokale Begrenzung wird sich fortsetzen. Vorhersagen, wen es jetzt mit welcher Wucht trifft, sind da unmöglich.

Schaube: Wir sind in der Meldekette des deutschen Wetteramtes Essen, werden also relativ schnell vorgewarnt, aber solche Ereignisse lassen sich nicht korrekt vorhersagen. Was uns im Übrigen sehr gefreut hat, ist die Tatsache, dass wir innerhalb kürzester Zeit unsere Rufbereitschaft erheblich aufstocken konnten. Hier noch einmal auch an dieser Stelle mein Dank an die Mitarbeiter, die sich spontan zur Mithilfe angeboten haben. 

Das Risiko von Starkregen visualisiert: Ausschnitt einer Starkregengefahrenkarte für Wupper­tal Elberfeld

Kann Wuppertal nicht vor den Auswirkungen geschützt werden, etwa durch neue Regenrückhaltebecken?
Massing: Leider nein, auch das wäre nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Unsere Becken haben gut funktioniert, aber die waren auch schnell gefüllt, so wie das ganze Kanalsystem. Nach Berechnungen sind unglaubliche rund fünf Milliarden Liter Regen in 90 Minuten gefallen. Bis zur Stufe vier kann das System die Mengen abführen, darüber wird es schwierig. Aber das ist in allen Kommunen so, auch größere Leitungen hätten keine ausreichende Wirkung.

Schaube: Das beste Beispiel ist doch der Entlastungssammler Wupper (Anm. d. Red.: in Wuppertal meist Wuppersammler genannt), der hat einen Durchmesser von 2,6 Metern, das System funktionierte einwandfrei und trotzdem kamen auf der B7 die Schachtdeckel hoch. 

Also helfen größere Leitungen nicht?
Massing: Nein, das macht auch keine deutsche Stadt. Es ist unglaublich teuer und technisch nicht umzusetzen. Es liegen so viele Ver- und Entsorgungsleitungen im Boden, da wäre für solche Leitungen gar kein Platz.

Schaube: Selbst das hilft bei Regen dieser Stärke nichts, auch diese größeren Leitungen würden sehr schnell an ihre Grenzen stoßen. In vielen Fällen waren auch nur einfach die Einlaufroste der Regeneinläufe mit angeschwemmtem Treibgut verstopft.

Innenstadt unter Wasser: chaotische Bilder aus Wuppertal-Elberfeld

Was hat das Unwetter denn im Kanal­system angerichtet? Wie groß sind die Schäden?
S
chaube: Es hat erstaunlich wenig Schäden gegeben. Am Bornberg ist ein Schaltschrank beschädigt worden, aber ansonsten hat es nur etliche rausgebrochene Schachtdeckel gegeben, die durch die Wucht des Wassers beschädigt wurden. Insgesamt überraschend wenig, das macht uns schon ein bisschen stolz, auch die älteren Kanäle waren sehr stabil.

Sind die Wuppertaler den Unwettern also ausgeliefert?
Massing: Nein, wichtig ist die private Vorsorge. Thema Rückschlagklappe, die verhindert, dass sich das in den Kanälen angestaute Wasser in den Keller ergießt: Nur rund 30 Prozent der Hauseigentümer haben eine solche Klappe verbaut, dabei ist das eine Voraussetzung, damit die Versicherungen bezahlen. Das ist sicher ein teurer Spaß.

Schaube: Nein, das ist eine kleine vierstellige Summe, die Schadenssummen sind schnell viel höher. Massing: Ich würde Betroffenen ohnehin dazu raten, einen Fachmann zu beauftragen. Es gibt Ingenieurbüros, die sogenannte Hochwasser-Starkregen-Pässe ausstellen und dezidiert die Risiken abschätzen und Tipps für Vorsichtsmaßnamen geben.

Aber woher weiß ich, dass ich betroffen sein könnte?
Schaube: Ich denke, nach diesem Tag wissen einige Kunden das genau, aber es waren natürlich nicht alle Stadtteile gleichermaßen betroffen.

Massing: Ab Herbst wird es auf der Seite der Stadt eine Starkregenkarte geben, der man entnehmen kann, wie hoch das Risiko von Überschwemmungen in den einzelnen Gebieten ist und zwar auf die Straße genau. Hier sieht man am Beispiel Elberfeld (deutet auf Kartenausschnitt) genau das, was ja dann auch passiert ist – die Innenstadt steht unter Wasser. Im Bereich Bornberg/Uellendahler Straße/Raukamp werden wir darum bald ein neues Regenrückhalte­becken mit 8 000 Kubikmeter Fassungsvermögen bauen, um die Situation auch an der Mirke etwas zu entschärfen. 

Kann man den Wuppertalern noch etwas raten?
Schaube: Ja, auf jeden Fall eine Elementarschadenversicherung abschließen, wenn möglich, bauliche Änderungen veranlassen – zum Beispiel Lichtschächte erhöhen, außenliegende Kellertreppen schützen und ein paar Sandsäcke können auch nicht schaden.