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Unterschätzte Arbeitskräfte

Die WSW unterstützen Förderschüler bei der Berufsorientierung. Für Jungen und Mädchen mit einer Behinderung ist es besonders schwierig, einen Ausbildungsplatz zu finden. Das Netzwerk „Anschub“ will ihre Situation verbessern.

Mit konzentriertem Blick schaut Fabian durch die Schutzbrille auf sein Werkstück, das er soeben selbst unter der Bohrmaschine fixiert hat. Neben ihm steht WSW-Azubi Alexander Pichaczek, der ihm zuvor alle Handgriffe genau erklärt hat. Fabian ist 17 Jahre alt und besucht die Schule am Nordpark, eine städtische Förderschule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung. Er ist an drei Tagen bei den Wuppertaler Stadtwerken als Praktikant zu Gast und lernt die Bereiche Metall, Elektro und Kfz kennen. Gleichzeitig mit ihm nehmen 14 weitere Förderschülerinnen und -schüler an der dreitägigen Berufsfelderkundung bei den WSW teil.

Schrauben, feilen, reparieren: Bei der Berufsfelderkundung der WSW konnten die Förderschüler den Arbeitsalltag kennenlernen.

„Gestern war ich in der Elektrowerkstatt und habe Schaltungen gebaut und Kabel an Stecker montiert“, berichtet Fabian. Das habe ihm sogar besser gefallen als die Arbeit in der Metallwerkstatt. „Ist nicht so schmutzig,“ erklärt er. Nächstes Jahr wird er mit der Schule fertig sein, was er danach machen will, weiß er noch nicht so genau. Um das herauszufinden, wird er noch weitere Praktika absolvieren.

Schwerer Start ins Arbeitsleben
Der Übergang von der Schule in die Ausbildung ist für Förderschüler ganz besonders schwierig. „Natürlich haben auch unsere Schüler Berufswünsche wie zum Beispiel Polizist“, sagt Klaus Ulrich, Lehrer an der LVR-Förderschule in der Melanchthonstraße. Wünsche, die sich oft nicht verwirklichen lassen. Die meisten Schulabgänger von einer der drei Wuppertaler Förderschulen für Jugendliche mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung gehen in eine Werkstatt für Menschen mit Behinderungen, wo sie Arbeitsmöglichkeiten finden, die auf ihre Einschränkungen abgestimmt sind. „Wir haben aber auch Schülerinnen und Schüler, die einen regulären Schulabschluss machen“, so Klaus Ulrich weiter. In der Regel sind das der Abschluss im Bildungsgang „Lernen“ oder sogar der Hauptschulabschluss. Aber auch diese Schüler haben es auf dem Ausbildungsmarkt schwerer als Absolventen mit gleicher Qualifikation aber ohne Behinderung. Um diesen Schulabgängern bessere Perspektiven zu bieten, haben die Schule am Nordpark, die LVR-Förderschule und die Troxler-Schule 2010 das Netzwerk „Anschub“ gegründet, das auch von den WSW unterstützt wird. Ziel ist es, die Zusammenarbeit der Förderschulen mit Unternehmen zu intensivieren, um mehr Schüler in reguläre Ausbildungs- und Beschäftigungsverhältnisse zu bringen.

Während Fabian in der Metallwerkstatt der WSW mit Bohren und Feilen beschäftigt ist, arbeitet der 15-jährige Kevin nebenan in der Elektrowerkstatt an einem Stecker, der mit einem Kabel verbunden werden soll. Sein Pate ist an diesem Tag Maher Khalil, der im ersten Ausbildungsjahr als Elektroniker für Betriebstechnik ist. Die beiden haben sichtlich Spaß bei der Arbeit. Auch gelötet haben sie schon gemeinsam. Technik und Werken mache ihm Spaß, sagt Kevin, „in der Schule arbeite ich besonders gerne in der Holzwerkstatt.“ Zu seinem technischen Interesse passt auch sein Lieblingsfach: Mathe.

Potenzielle Arbeitgeber unterschätzen unsere Schüler oft“, meint Julia Hildebrandt, Lehrerin an der Schule am Nordpark. Viele Absolventen könnten ohne Weiteres Aufgaben im kaufmännischen, gewerblichen oder sozialen Bereich in ganz normalen Betrieben übernehmen. Tatsächlich gibt es dafür auch geregelte Ausbildungsgänge gemäß Berufsbildungsgesetz. Leistungsstarke Schüler wie Fabian und Kevin kommen dafür in Frage. „Sie brauchen nur eine Chance, zu zeigen, was sie drauf haben“, sagt Julia Hildebrandt.

Richtige Azubis
Einen Ausbildungsabschluss erwerben die meisten Jugendlichen mit Behinderung nicht in Unternehmen, sondern in Berufsbildungswerken und ähnlichen Einrichtungen. Das Problem: Es fehlt die Bindung zu einem Arbeitgeber, der im Anschluss an die Ausbildung einen Arbeitsplatz anbieten kann. Mit einem Job auf dem ersten Arbeitsmarkt klappt es in den meisten Fällen dann doch nicht.

Das soll nicht so bleiben. Aber die Arbeit, die sich die Anschub-Netzwerker vorgenommen haben, ist mühsam. Immerhin, der Bergische Unternehmerverband, die Kreishandwerkerschaft und die IHK sind bereits mit ihm Boot und – ganz wichtig – immer mehr Unternehmen und Institutionen sind offen für das Thema, bieten spezielle Praktika an und denken auch über Ausbildungsangebote nach. Außer den WSW sind das in Wuppertal zum Beispiel die Stadtsparkasse und die Stadtverwaltung. Vielleicht werden Jugendliche wie Fabian und Kevin dann bald nicht mehr nur als Praktikanten an der Werkbank arbeiten, sondern als richtige Azubis.

Text: Rainer Friedrich