wsw.info: Zoo in Coronazeiten

Ruhe im Gehege

Von Hunderttausenden auf null: Wie fühlen sich die Zootiere, wenn die täglichen Besucherströme lockdownbedingt ausbleiben? Silja Herberg, stellvertretende Direktorin und Kuratorin, gibt Einblicke.

Wenn Silja Herberg derzeit ihre morgendliche Runde durch den Grünen Zoo dreht, macht der eine oder andere Bewohner des Tiergartens einen interessierteren Eindruck als üblicherweise. In Herbergs Verantwortung liegen die Huftiere und die Karnivoren, die Fleischfresser. Bei Erstgenannten stellt sie im Corona-Lockdown einen gefühlten Unterschied fest gegenüber Phasen, in denen täglich massenhaft Besucher durch die Anlage flanieren. „Zu Zeiten, in denen die Tiere nur den Zoo-Mitarbeitern begegnen, kommen sie eher einmal näher an den Zaun und sagen guten Morgen. Die Esel zum Beispiel lassen sich jetzt ab und zu kraulen. Diese Gelegenheit hatte ich bisher nie.“

Bei den Steinböcken wird im April Nachwuchs erwartet. (Foto: afi)

Sonst ändern die Kontaktbeschränkungen, bei denen wir Menschen in der Regel stark von unseren üblichen Alltagsmustern und Empfindungen abweichen, bei den Zootieren wenig. Das bestätigt neben Kuratorin Herberg auch Zoo-Biologe und Pressesprecher Andreas Haeser-Kalthoff. „Gerade Besucher, die sehr oft bei uns sind, fragen sich, ob 'ihren Tieren' ihre Abwesenheit auffällt, ob sie sie vielleicht sogar vermissen.“ Dazu gebe es bisher keine fundierten Untersuchungen, sagt Herberg. „Und es entspricht auch mehrheitlich nicht unseren Beobachtungen.“

„Die Esel lassen sich jetzt ab und zu kraulen. Diese Gelegenheit hatte ich bisher nie.“
Silja Herberg

Vielmehr halten die 84 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – davon niemand in Kurzarbeit – den Zoobetrieb hinter den Kulissen zum Wohl der Bewohner so gut wie vollständig aufrecht. Beim Umgang miteinander und mit einigen Tierarten gelten strenge Infektionsschutz-Auflagen, wie Herberg schildert. Pro Bereich sei weniger Personal zeitgleich im Einsatz, Pausenzeiten seien versetzt, Büroräume nur einzeln belegt, und Lüften von Innenräumen sowie das Tragen von Masken sei Standard – gerade, wenn man zu mehreren arbeiten müsse, etwa bei Tier-Operationen. Im Umgang mit den Großkatzen und Affen sei der Mund-Nasen-Schutz ebenfalls Pflicht: „Sie können sich erwiesenermaßen auch mit Corona infizieren. Daher gehen wir auf Nummer sicher.“ Das übliche Medical Training mit den Affen, bei dem sie per Klicker ein bestimmtes Verhalten bei Untersuchungen und Co. lernen, falle derzeit aus. „Wir gestalten die Beschäftigungen anders, aber grundsätzlich beschäftigen wir unsere Tiere natürlich unabhängig von Corona kontinuierlich“, sagt Herberg.

rund 3.500 Tiere

aus allen Teilen der Welt leben im Wuppertaler Zoo.

Snacks gegen Langeweile

Zum Beispiel über Nahrungsaufnahme. Mit Futter könne man so ziemlich alle Tiere bei Laune halten, erzählt die Kuratorin. Viele von ihnen bekämen Luzerneheu mit hohem Blattanteil. Auch die Affen. „Die haben dann viel zum Zupfen.“ Für die Esel sei gewöhnliches Heu ihr sprichwörtliches täglich Brot. Für mehr Abwechslung landeten auch mal ungewohnte Gegenstände in den Gehegen. Etwa Wurzelballen, sagt Herberg. Vor allem die Pinselohrschweine hätten daran große Freude, weil sich darin Käfer und Larven versteckten – eine Delikatesse. Auch den Zebras und Eseln mache es sichtbar Spaß, die Geflechte abzuknabbern. „Dass die Tiere beschäftigt sind, ist essenziell“, sagt Herberg. Besonders anspruchsvoll seien diesbezüglich neben den Menschenaffen die Seelöwen und die Katzen. „Ausdruck von Langeweile könnte unter anderem sein, wenn sie einen interessiert ansehen oder lange auf- und ablaufen.“

140 Jahre

Im September 2021 feiert der Zoo sein
Jubiläum.

Und wie läuft die Nachwuchsplanung? „Ganz normal“, sagt Herberg. Nachdem im zurückliegenden Winter die Brillenpinguine geschlüpft sind und auch die vor etwa einem Jahr eingezogenen Pekaris zwölf Junge geboren haben, erwarten der Kuratorin zufolge die Ziegen im März, die Rentiere im April und die Seelöwen im Juni Jungtiere. „Bei den Steinböcken und den großen Maras geht es im März und April rund. Auch unser Okapi bekommt zwischen März und April nach 15 Monaten Tragzeit sein lang ersehntes Jungtier. Bei den Elefanten kommt dieses Jahr nichts mehr. Fische und Vögel reproduzieren sich unabhängig von der Jahreszeit – und bei allen anderen Tieren lassen wir uns überraschen.“

Text: Tonia Sorrentino
Fotos: afi