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Bits und Bass

Jan Kazda ist Vollblutmusiker der alten Schule. Ein Leben zwischen Tonstudio, E-Bass, Bühne und dem Sound des Thermomix.

Wenn Jan Kazda seinen honigfarbenen E-Bass aus der Halterung nimmt und sich an die Arbeit macht, dann begleitet ihn oft ein ganzes Orchester. Das Spiel der Streicher, Holz- und Blechbläser, Trommel und beliebig vieler anderer Instrumente hat der Musiker dabei selbst in der Hand. Möglich ist das durch ein sogenanntes Orchester-Plugin für den PC. Ein Programm, das dem Musiker die Arbeit ungemein erleichtert. Und das ist nur eine der vielen digitalen Neuheiten, die man als Nicht-Musiker kaum mitbekommt. Jan Kazda hat diese Entwicklung in Richtung digitaler Produktion Stück für Stück miterlebt, denn er ist schon lange dabei. Als E-Bass-Spieler, als Komponist für Leinwand und Bühne, als Dozent an diversen Hoch- und Musikschulen. 2016 wurde sein Song „Game of Love“ aus dem Film „Black Wedding“ für den Deutschen Filmmusikpreis in der Kategorie Bester Song im Film nominiert. In den 80er Jahren war er Gründungsmitglied der legendären Fusion­band „Das Pferd“, die unter anderem mit Randy Brecker, Ginger Baker, Peter Brötzmann, Tom Cora, Harry Beckett und Peter Kowald gearbeitet hat. Mit seiner Band KAZDA steht er noch heute auf der Bühne. Außerdem arbeitet er als Sound-Designer für Vorwerk.

Wie passt das alles zusammen? Für den 64-Jährigen mit einer Vorliebe für schrille Hemden ist genau diese Vielfalt das Salz in der Suppe. Angefangen hat alles im eigenen Elternhaus: „Mein Vater war ein leidenschaftlicher Hobbymusiker, wir gingen oft auf Konzerte und ich musste zum Gitarrenunterricht“, erinnert sich Kazda. Später, im Studium, sei er dann auf E-Bass gewechselt, weil man damit die Musik viel mehr beeinflussen kann. Aber: „Man muss als Musiker alle Instrumente ein bisschen spielen können.“ 

Sound of Homeoffice

„Ich liebe den Jazz in allen möglichen Formen“, sagt Jan Kazda. Das hält ihn aber nicht davon ab, regelmäßig mit anderen Stilen zu experimentieren. Und so lässt er seinen Bass auch mal in einer etwas härteren Gangart erklingen. Als Studiomusiker hat er zum Beispiel in den Hagener Woodhouse Studios für die norwegische Metal-Band The Kovenant gearbeitet. Mit einer anderen Band stand er einst auf der Bühne des legendären Dynamo-Open-Air-Festivals im niederländischen Nijmegen. „Das war schon ein Erlebnis so zwischen den ganzen Heavy-Fans“, sagt Kazda und lacht. Auch mit seiner eigenen Band namens KAZDA bewegt sich der Wuppertaler im Spannungsfeld zwischen Jazz und Rock. Ein 2010 zusammen mit dem Streichquartett Indigo Strings produziertes Album ist der Musik von Led Zeppelin gewidmet. 

„Man braucht heute kein richtiges Studio mehr.“ Jan Kazda

Einen Großteil seiner Arbeit erledigt der Musiker zu Hause. Dafür hat er sich in der gemeinsam mit seiner Frau genutzten Wohnung ein Zimmer eingerichtet. Die unspektakuläre Ausstattung, ein silbernes E-Klavier der Marke Yamaha, drei eher kleine Bildschirme, ein Windows-PC und ein Paar Monitor-Lautsprecher, lassen nicht wirklich Studio-Stimmung aufkommen. Schwer vorstellbar, dass Kazda in diesem vielleicht 20 Quadratmeter großen Raum Film- und Bühnenmusik und ganze Alben produziert hat. Ein kleines bisschen täuscht der erste Eindruck, denn in beinahe jeder Ecke des Raumes verstecken sich verschiedene Gitarren, Elektrobässe und weitere Instrumente. „Man braucht heute schlicht kein richtiges Studio mehr“, erklärt Kazda. „Das läuft inzwischen alles digital.“ 

Ton für Ton

Da ist es auch kein Wunder, dass der Musiker sein Equipment gelegentlich auch anderweitig einsetzt. Zum Beispiel, um Haushaltsgeräten wie dem Thermomix oder einem Saugroboter mit Tönen Leben einzuhauchen. „Ich entwickele alle Klänge und Sounds, die das Gerät so von sich gibt“, sagt Kazda. Gemeint sind beispielsweise unterschiedliche Warntöne oder der Klang beim Ein- und Ausschalten. Als Nutzer hört man diese Tonfolgen oft – sehr oft. Sie prägen die Wahrnehmung des Produkts. „Zu schrille oder unpassende Klänge können sehr schnell nervig werden“, weiß Kazda. Sein Frau Petra Stalz, die auch als Musikerin arbeitet, kann davon ein Lied singen. Sie ist gewissermaßen die Leidtragende, wenn ihr Mann an den Sounds tüftelt und dieselbe Tonfolge immer und immer wieder abspielt. „Ich kann dabei leider nicht mit Kopfhörern arbeiten, am Ende wird man die Töne ja auch über Lautsprecher im Gerät hören“, sagt Kazda zu seiner Verteidigung.

Wichtig sei auch, dass die Sounds dem Markenimage entsprechen und dem Produkt gerecht werden. Der Austausch mit den Menschen auf Unternehmensseite ist dabei das A und O. „Ich verstehe mich ein bisschen als Übersetzer. Wenn mir jemand als Nichtmusiker erklärt, wie etwas klingen soll, dann kann das schon mal schwierig sein.“ Was ist ein wässriger blauer Sound? Wie kriegt man das Piepen eines Tee­kochers dazu, nach asiatischem Lifestyle zu klingen? Die Antwort ist: durch ausprobieren. Am Anfang habe er für einen Sound schon mal sechzig Beispiele geliefert, so Kazda. Heute ist er routinierter und schickt nur eine kleine Auswahl zur Freigabe.

Seine Arbeit für Staubsauger, Teekocher und andere Haushaltshelfer bleibt für Kazda aber bei aller Anstrengung eine Nebentätigkeit. Am liebsten kümmert er sich um den eigenen Sound beziehungsweise den seiner Band. Aktuell nimmt er Songs für ein neues Album auf, das ab nächstem Jahr erhältlich sein wird. Darauf werden sich die Musiker mit den musikalischen Schöpfungen des italienischen Komponisten Giovanni „Nino“ Rota auseinandersetzen. Die Konzert­termine für nächstes Jahr sind bereits in Vorbereitung.

Text: Marc Freudenhammer
Fotos: Süleyman Kayaalp