Kultur: Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium

Schule der Zukunft

Am Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium wird nach einem bislang in Wuppertal einzigartigen Konzept gelernt. Schüler und Lehrer befinden sich seit Januar wieder am Johannisberg, in einem grundsanierten Gebäude mit innovativen Facetten.

Die beste Schule Europas werden? So ambitioniert möchte Claudia Schweizer-Motte, Leiterin des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums (WDG), das Ziel der Bildungsstätte nun nicht formulieren. Vielleicht aus Bescheidenheit, denn der Ideenreichtum, die Entschlossenheit und die Energie, die der gemeinschaftlichen äußeren wie inneren Umgestaltung des Gymnasiums offensichtlich zugrunde liegen, zeigen einen äußerst hohen Anspruch. Das zukunftsweisende Konzept ist bisher einzigartig in der Stadt.

3,5 Jahre 
hat die Sanierung des Gebäudekomplexes gedauert.
 

Gedanken dazu bewegte die Schulleiterin bereits seit ihrem Start an dem dreizügigen Gymnasium im Jahr 2011. Zwei Jahre später gewann das WDG einen bundesweiten Wettbewerb für partizipative Planungsprozesse, ausgerichtet von der Montag Stiftung Jugend und Gesellschaft. Die 100.000 Euro Preisgeld bildeten den Startschuss für die sogenannte Phase Null, in der die Projektbeteiligten – Schüler, Eltern und Lehrer des WDG sowie Mitarbeiter der Stadt Wuppertal, des Stadtbetriebs Schule und des städtischen Gebäudemanagements – gemeinsam bauliche, architektonische wie auch pädagogische Ziele definierten und in Einklang brachten. 

Neustart mit Weitblick: Claudia Schweizer-Motte, Leiterin des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums

Es ging um viel mehr als die damals notwendige Sanierung: „In der qualifizierten Projektentwicklung ging es vor allem darum, wie wir in Zukunft arbeiten wollen, insbesondere mit Blick auf gesellschaftlichen Wandel, Nachhaltigkeit und Digitalisierung“, beschreibt Schweizer-Motte den 18  Monate währenden Phase-Null-Prozess. In dieser Zeit besichtigte die gesamte Mannschaft andere Schulbauprojekte, es gab Workshops und Beteiligungsveranstaltungen.

Keine klassischen Korridore
Nach dreieinhalbjähriger Bauphase, in der die 720 Schüler und 65 Lehrer des Gymnasiums mit altsprachlichem Schwerpunkt im Josef-Neuberger-Haus am Dietrich-Bonhoeffer-Weg untergebracht waren, ist der Standort am Johannisberg nach einer Verzögerung seit dem 9. Januar wieder für den Schulbetrieb geöffnet. Raumstrukturen und -ausstattung wurden bis ins kleinste Detail auf die veränderten Lern- und Unterrichtsanforderungen abgestimmt.

„Früher wurden nur etwa die Hälfte der Schulflächen pädagogisch genutzt, der Rest waren mehrheitlich Flure und Sanitäranlagen“, beschreibt Schweizer-Motte. „Deswegen haben wir im Vorfeld genau überlegt, was wo passieren soll.“ Klassische Korridore gibt es jetzt nicht mehr – Zugänge wurden zu Kommunikationszonen zum vielfältigen Austausch oder auch zum Rückzug, unter anderem auf Polstermöbeln, Barstühlen, an Freiform-Stehtischen, deren Elemente je nach Nutzungszweck miteinander kombinierbar sind. Cluster-Systeme bieten den einzelnen Jahrgängen vor ihren Klassenräumen, die feste Plätze innerhalb der vier Stockwerke im Hauptgebäudetrakt haben, je eine Lern- und Gemeinschaftsfläche. „Zu denen haben tatsächlich nur die Schüler der jeweiligen Jahrgangsstufe Zugang“, sagt die Schulleiterin. Glasfronten betonen Gemeinschaft und Offenheit ebenso wie die geöffneten Türen zu Lehrer- und Schulleiterräumen.

ca. 19,8 Millionen Euro 
wurden in die Sanierung investiert, zuzüglich etwa 65.000 Euro für die Auslagerung. 

In den Klassenzimmern wurde auf Flexibilität geachtet. Schwere Schulbänke wichen fahrbaren Schüler- und Lehrertischen. Die Tafeln: ein System aus federleichten magnetischen Whiteboards, montiert auf Schienen in zwei Höhen, austauschbar. „So können Elemente zum Beispiel nach der Unterrichtsstunde abgenommen und noch für Gruppenarbeit genutzt werden, ohne dass sie im nachfolgenden Unterricht stören“, erklärt Schweizer-Motte. In jedem Unterrichtsraum gibt es zudem die Möglichkeit, Laptops anzuschließen.

Die Farbgebung von Wänden und Möbeln basiert auf dem Konzept des Gaius Plinius Secundus: Gemäß dessen Lehren strebt alles vom Boden zum Himmel, entsprechend sind die unteren Stockwerke in Erd-, die mittleren in Grün- und die oberen in Blautönen gehalten. Und sie haben Namen. Im obersten etwa ist in griechischen Lettern der Begriff für „Glückseligkeit“ (Eudaimonie) an die Wand gebracht – als Ethik-Begriff der antiken griechischen Denker ein erstrebenswerter Zustand, zu dem das WDG beitragen möchte. „Unser Hauptziel ist die Erziehung zur Verantwortungsübernahme“, sagt Schweizer-Motte. Diese gehe mit Identifikation einher, welche wiederum durch möglichst wenig Distanz zwischen Individuum und Objekt entstehe. „Das geht von der Verantwortung für den eigenen Stuhl über den eigenen Raum, das Cluster, den Stadtteil zu – idealerweise – immer größeren Einheiten.“

Die gemeinsame Mitte, mit Mensa, Vivarium, Hausmeisterlounge sowie Zugang zu allen drei Gebäudeteilen, ist das Herz der Ganztagsschule im Aufbau. Begehbar ist das WDG sowohl von der Südseite (Johannisberg) als auch von der Nordseite (Südstraße) über zwei gleichwertige Eingänge. Am 10. Juli ist die offizielle Eröffnungsfeier geplant. Bis dahin sind auch die hängenden Gärten, das Theatron, die Boulderwand, der Ballkäfig für Fuß- und Basketball sowie das begrünte Schulhofgelände fertig, das in Teilen auch der Öffentlichkeit zum Flanieren offenstehen soll.

Text: Tonia Sorrentino