wsw.info: Solar Decathlon Europe

Das Ripple-Prinzip

In diesem Jahr findet in Wuppertal der internationale Architekturwettbewerb für Studierende Solar Decathlon statt. Das Café Ada spielt dabei eine besondere Rolle.

Architekturstudenten in aller Welt lieben das Café Ada. Die Kulturkneipe in der Wiesenstraße verdankt ihre globale Bekanntheit dem internationalen Architekturwettbewerb Solar Decathlon Europe (SDE), dessen Finale im Juni in Wuppertal ausgetragen wird. In der Ausschreibung für die studentischen Teams waren auch drei Bauaufgaben mit Bezug zu Wuppertal – genauer: zum Quartier Mirke – vorgegeben. Bestehende Gebäude sollen aufgestockt oder erweitert und Baulücken gefüllt werden. Dafür gab es jeweils Anwendungsfälle in der Ludwigstraße, der Bandstraße und in der Wiesenstraße mit dem Café Ada. Letzteres reizte die Studierenden-Teams besonders. Mehrere Entwürfe für die Aufstockung des zweigeschossigen, um 1900 errichteten Gebäudes wurden eingereicht. Diese zeigen auffällige Gemeinsamkeiten, aber auch signifikante Unterschiede.

Die meisten Teams schlagen einen kastenförmigen Aufsatz mit mehreren Etagen vor. Darin befinden sich Wohnungen, die vorwiegend für Single-Haushalte entwickelt wurden. Die klassische Wohnung als „geschlossener sozialer Raum“ ist verpönt. Offene Strukturen und soziale Begegnungsräume liegen im Trend. Um einer zu starken Vereinzelung der Bewohner entgegenzuwirken, legen alle Entwürfe großen Wert auf die Integration von Gemeinschaftsräumen („shared spaces“), nicht nur zum Wäsche Waschen oder Abstellen von Fahrrädern, sondern auch zum Kochen und Lesen. Dachgärten und Gewächshäuser für das beliebte Urban Gardening sind Standard. Ein Team plant sogar ein Vogelhotel mit ein.

Klimafreundlich wohnen

Großen Wert legen die Teilnehmer natürlich auf die Energieeffizienz ihrer Gebäude. Überall, wo es möglich und sinnvoll ist, kommen erneuerbare Energien zum Einsatz. Das Team aus Düsseldorf beispielsweise umgibt sein Gebäude mit einer „funktionalen Hülle“, die den Energiebedarf senkt und über Glaslamellen für Belüftung sorgt. Dach und Fassade werden mit Solarmodulen ausgestattet. Die Abwärme von Haushaltsgeräten wird in einen Wärmekreislauf eingespeist. Die Konzepte der anderen Teams zielen in die gleiche Richtung.

Bei den Baumaterialien ist Holz der Favorit, aber auch andere nachwachsende Rohstoffe wie etwa Strohhalme finden Verwendung. Wichtig ist, dass sich die Bauwerke kostengünstig realisieren lassen. Dies soll durch den Einsatz variabler Baumodule in Fertigbauweise gewährleistet werden. Einen besonders ambitionierten theoretischen Ansatz verfolgt das Team aus Eindhoven. Das Konzept nennt sich „ripple“. „Wie ein Tropfen im Wasser schafft unser Projekt eine Welle des Einflusses, indem es eher eine Denkweise als einen festen Entwurf vorschlägt“, schreibt das Team auf der Website des Solar Decathlon. Klingt abgehoben, aber das Ergebnis dieser Idee ist ein durchaus ansprechender Entwurf, der das Café Ada mit einer Art Penthouse vertikal erweitert.

Thorsten Krug, Vorsitzender von Insel e. V., der im Café Ada regelmäßig Kulturveranstaltungen durchführt, ist von den Ideen begeistert: „Was mir gefällt: Offenbar alle Entwürfe tragen dem Ada als traditionsreichem Kulturort Rechnung und möchten es in dieser Funktion auch in die Zukunft weitererzählen. Wie sich hierbei öffentlicher und privater Raum, Produktionsstätte, Bühne und Gastronomie verbinden lassen, macht mich neugierig“, sagt er.

Vom SDE zum Living Lab

Die speziell für das Mirker Quartier entwickelten Bauvorhaben sind nur in Entwürfen und Modellen zu sehen. Verwirklicht werden sie nicht. Dennoch können Besucher aus aller Welt – rund 150 000 werden erwartet – im Juni auch echte Häuser besichtigen. Jedes der 18 teilnehmenden Teams aus elf Ländern wird ein Modellhaus auf der Ausstellungfläche am Mirker Bahnhof aufbauen. Nach Ende des Solar Decathlon bleiben acht der Häuser stehen. Sie gehören zum Living Lab.NRW. Das neue Forschungszentrum für nachhaltiges Bauen wird seinen Standort in Wuppertal haben.

Für das Living Lab stellen die WSW in Kooperation mit dem französischen Energieanlagen-Spezialisten Boostheat eine Nahwärme-Zentrale zur Versorgung der Modellbauten bereit. Die Anlage mit einer Leistung von 20 Kilowatt nutzt die Umgebungsluft als Wärmequelle. Dabei wird in der Startphase eine mit Flüssiggas betriebene Wärmepumpe eingesetzt, die 2023 durch den Prototyp einer wasserstoffbetriebenen Wärmepumpe ersetzt wird. Die Anwendung dieser Technologie in einem Nahwärmenetz ist weltweit einmalig.


Text: Rainer Friedrich
Fotos: sde21.de