wsw.info: Wuppertals Treppen

Treppenstraßentreppe

Mit weit mehr als 500 Treppen hält Wuppertal deutschlandweit den Rekord in Sachen stufige Auf- und Abstiege. Einige erwähnenswerte Exemplare stellen wir in unserer Serie in loser Abfolge vor.

Nicht alle Treppen im Tal sind so oft erwähnt und über die Stadtgrenzen hinaus bekannt wie das Tippen-Tappen-Tönchen, das wir in der vorangegangenen wsw.info vorgestellt haben. Die meisten tragen nicht einmal Namen, fügen sich einfach unauffällig ins Straßenbild ein. Manche Treppen fristen ihr Dasein im Schatten von Artgenossen, die sich durch einen Superlativ auszeichnen. So zum Beispiel die namenlose Treppe, welche die Standorte Friedrich-Ebert-Straße 136 und 138 sowie Nützenberger Straße 63 und 65 im Elberfelder Westen verbindet: Sie liegt nur rund 400 Meter westlich der seit Jahren gesperrten, da sanierungsbedürftigen Jakobstreppe, die als die längste durchgehende Freitreppe Wuppertals gilt.

83 Stufen

und vier Podeste zählt die namenlose Treppe am Ende der Treppenstraße. Zweimal ändert sich beim Aufstieg die Richtung.

Die unbenannte Treppe hat, wenn man so will, einen eigenen Zugang – die Treppenstraße, die senkrecht in steiler Häuserschlucht von der B7 weg- und an ihrem Ende zur ersten von 83 Stufen führt. Immerhin suggeriert der Straßenname eine gewisse Bedeutung, und so hat auch diese Treppe etwas Besonderes. Eine Schönheit ist das laut Stadt Wuppertal nicht unter Denkmalschutz stehende, genau 100 Jahre alte Bauwerk trotzdem nicht gerade. Die Natursteinstufen haben eine großzügige Breite, exakt drei Meter laut Katastereintrag. Die ursprünglich hellgraue Farbe überlagern Grünspan, schmutzig-weiße und schwarze Flecken, die Oberfläche zeichnen Risse und Abplatzungen. Das schlanke Stahlholmgeländer, einst dunkelgrün lackiert, prägen Sprenkel von Rost in sämtlichen Farbnuancen von orange bis hellgrün. Die Menschen, die hallenden Schrittes hinauf- und hinabsteigen, berühren es nicht, ihre Blicke sind meist gesenkt. Diese Treppe scheint mehr Weg zum Ziel als Aufenthaltsort zu sein.

Korridor zur Nützenberger

Wer jedoch innehält, bemerkt wilde Pflanzen, die rechts und links sowie aus steinernen Nischen wachsen. Lange Löwenzahnblätter ragen weit in den Aufgang. Wie zur Begrüßung. Ein weggeworfenes Taschentuch schimmert schneeweiß. Linker Hand in Aufstiegsrichtung befindet sich eine Backsteinmauer mit rechteckigen Öffnungen wie Schießscharten einer Festung. Eine Armlänge tief ruhen darin verwitterte Verpackungen von Kakao, Zigaretten, Quarkspeisen. Zwei golden glänzende Kronkorken in einem ansonsten leeren Hohlraum wirken beinahe dekorativ. Ebenso ein Efeuzweig, der im Vordergrund herabhängt, als fordere auch er seinen Platz in diesem ungewöhnlichen Arrangement ein. Gegenüber drückt sich wie eine Zierleiste ein Backsteinmäuerchen an die begrenzende Hauswand. Das Mauerwerk glitzert, hier von silbernem Graffiti, dort von Feuchtigkeit, die am feinporigen Gestein hinabrinnt.

100 Jahre 

hat das steinerne Bauwerk auf dem Buckel. Erbaut wurde die Treppe im Jahre 1920. Sie ist – soweit bekannt – eine von acht Treppen, die an die Nützenberger Straße angebunden sind.

Die Mengen an Graffitis sind eine Kunst für sich, sie bedecken die bemerkenswert hohen Mauern, die die Treppe einfassen wie Wände einen Korridor. Im oberen Teil sticht ein Bild besonders heraus: ein Superheld, schwarz-weiß, riesig, in machtvoller Pose und bei Dunkelheit im orangefarbenen Licht der oberen Straßenlaterne unwirklich. Das letzte Podest (insgesamt sind es vier) vor der Nützenberger Straße gibt, gleich gegenüber der Street-Art-Werke, den Blick durch einen übermannshohen Metallzaun auf einen Hauseingang in weißer Fassade frei. Das hat etwas unerwartet Heimeliges in dieser eher verlebten Szenerie. Ein deutlicheres Vertrautheitsgefühl stellt sich am Ende des Aufstiegs ein: beim Panoramablick über Dächer und Baumwipfel der Stadt.

Text: Tonia Sorrentino
Fotos: Stefanie vom Stein