wsw.info: Interview

Mobilität neu denken

Verkehrswende, Personalmangel, Finanzdefizit – die WSW mobil steht vor vielen Herausforderungen. Sabine Schnake, seit 1. Februar in der Geschäftsführung, schreckt das nicht.

Frau Schnake, Sie sind seit über 30 Jahren bei den WSW und in diesem Jahr in die Geschäftsführung aufgerückt. Macht Ihnen der ÖPNV in Wuppertal immer noch Spaß?

Als ich bei den WSW anfing, hieß das Thema „neuer Nahverkehr“. Damals ging es um Optimierungen im Busnetz wie den sogenannten integrierten Taktfahrplan und neue Produkte wie CityExpress, NachtExpress und StädteSchnellBus. Das war für mich ungeheuer spannend. Was wir damals erarbeitet haben, hat teilweise bis heute Bestand. In den letzten drei Jahrzehnten gab es im Wuppertaler ÖPNV viele außergewöhnliche Herausforderungen, allen voran natürlich der Schwebebahnausbau und die Einführung der neuen Wagengeneration sowie der Umbau des Döppersbergs mit dem neuen Busbahnhof. Dazu kommt die Digitalisierung mit Online-Ticket-Angeboten oder der Hol mich! App sowie unsere Wasserstoffbusse. Es war nie langweilig und ja: Das macht mir nach wie vor großen Spaß.

Aber der ÖPNV hat auch weniger schöne Seiten. Das strukturelle Defizit und aktuell der Fahrermangel, der zu einem eingeschränkten Fahrplan führt.

Das stimmt und das lässt sich auch nicht schönreden. Wir hatten gehofft, im Herbst wieder zum Normalfahrplan zurückkehren zu können. Das werden wir leider nicht schaffen. Es gibt einfach zu wenig qualifiziertes Fahrpersonal auf dem Jobmarkt. Das ist ein Problem der gesamten Branche. Es gibt zwar motivierte Menschen, die den Job im Bus machen wollen, aber es sind zu wenige und viele davon haben noch keinen Busführerschein. Wir müssen hier also qualifizieren und das kostet Zeit. Wir stecken viel Engagement und Kreativität in die Personalbeschaffung. Dennoch: Eine schnelle Lösung wird es nicht geben.

„Wenn wir beim Angebot
nicht nachlegen,ist der positive Effekt
des Deutschland­Tickets schnell verpufft.“
Sabine Schnake

Die Finanzierung des ÖPNV rechne ich zu den größten Herausforderungen. Das Defizit, das im letzten Jahr bei rund 60 Millionen Euro lag, wird durch Kostensteigerungen unter anderem bei Energie und Personal in den nächsten Jahren weiter steigen und kann nicht mehr allein durch die WSW getragen werden. Wir brauchen eine dauerhaft stabile Finanzierung. Da ist die Politik gefragt. Die Verkehrsunternehmen, aber auch die Kommunen, müssen hier deutlich mehr Druck auf Bund und Länder ausüben. Das passiert auch.

Beim DeutschlandTicket beteiligen sich Bund und Länder ja bereits an der Finanzierung.

Mit dem DeutschlandTicket gibt es einen Paradigmenwechsel. Erstmals beteiligen sich Bund und Länder. Ich begrüße das DeutschlandTicket grundsätzlich sehr, weil es keine Tarifgrenzen mehr gibt und es die ÖPNV-Nutzung vereinfacht. Aber zu deutlich höheren Fahrgastzahlen hat es noch nicht geführt, viele Kunden sind ja von anderen Tickets umgestiegen. Langfristig gesichert ist die Finanzierung nicht. Wir verzeichnen monatlich erheblich weniger Einnahmen durch den günstigeren Preis. Ausgleichzahlungen von Bund und Land sind bis 2023 gesichert. Was danach geschieht, steht noch in den Sternen, selbst für 2024 ist noch nicht alles in trockenen Tüchern.

Hinzu kommt, dass an das DeutschlandTicket die Erwartung an ein gutes Mobilitätsangebot geknüpft ist. Hier muss die öffentliche Hand in Angebotsverbesserungen und Infrastruktur investieren. Wir haben in Wuppertal bereits gute Ansätze, zum Beispiel mit der Hol mich! App. Wenn wir beim Angebot nicht nachlegen, ist der positive Effekt des DeutschlandTickets schnell verpufft. Insgesamt brauchen wir ein klares Bekenntnis aller Akteure zur Mobilitätwende. Das bedeutet auch die Bereitstellung der erforderlichen Mittel für Betrieb und Infrastruktur.

Wie sieht der Investitionsbedarf der nächsten Jahre aus?

Wir müssen dringend in unsere Infrastruktur investieren. In den Busbetriebshöfen sowie in der Schwebebahnwerkstatt und Wagenhalle in Vohwinkel haben wir Modernisierungsbedarf, den wir nicht weiter aufschieben können. Hinzu kommt, dass wir die technischen Voraussetzungen für den Ausbau der Wasserstoffbusflotte schaffen müssen. Für die Anschaffung neuer Fahrzeuge mit Brennstoffzellentechnologie – rund 30 Stück sind im nächsten Schritt bis 2025 geplant – gibt es ebenfalls einen erhöhten
Finanzbedarf.

Was wird der neue Nahverkehrsplan bringen?

Die Stadt Wuppertal als Aufgabenträger legt im Nahverkehrsplan fest, welchen Umfang und welche Qualität der ÖPNV in Wuppertal haben soll. Es geht dabei etwa um Taktzeiten, Linienverläufe, Verknüpfungspunkte, Fahrzeuge oder Barrierefreiheit: Welches ÖPNV-Angebot soll zu bestimmten Zeiten in bestimmten Räumen gefahren werden? Welche zusätzlichen Infrastrukturen – Busspuren, Wendeanlagen, zusätzliche Haltestellen – benötigt der ÖPNV dafür? Wo im Stadtgebiet gibt es Erschließungslücken und welche Anforderungen werden künftig an Geschwindigkeit und Pünktlichkeit gestellt?

Im neuen Konzept werden verschieden Szenarien betrachtet, die die Ausprägung des ÖPNV-Angebotes zwischen dem Status quo und einem Maximalausbau des Angebots beschreiben. Ziel dabei ist es, mit der Ausweitung des Angebotes zusätzliche Anreize zu schaffen, um vom Auto auf den Umweltverbund umzusteigen. Leider gibt es überhaupt noch keine Klarheit über die Finanzierung zusätzlicher Angebote im ÖPNV. Hier wird es noch viele Gespräche brauchen. Man sieht: Das Thema Finanzierung zieht sich wie ein roter Faden durch sämtliche ÖPNV-Themen.

Wie beurteilen Sie die aktuelle Situation des ÖPNV in Wuppertal?

Wuppertal hat ein gutes ÖPNV-Angebot, das sich vor demjenigen anderer Städte vergleichbarer Größe nicht zu verstecken braucht. Das wird in deutschlandweiten Studien immer wieder deutlich. Auch der von der Stadt für den Nahverkehrsplan beauftragte Gutachter ist zu diesem Ergebnis gekommen: Eine leistungsfähige Schwebebahn entlang der Talachse und ein ausgeprägtes Busliniennetz sind die Basis unseres Mobilitätsangebots. Bei der Schwebebahn arbeiten wir unter anderem intensiv an der Sanierung der Fahrzeuge, um die Zuverlässigkeit weiter zu verbessern und die Voraussetzungen für ein verbessertes Angebot mit dichteren Takten zu schaffen. Das Busliniennetz ist aufgrund der Topografie Wuppertals geprägt durch eine hohe Erschließungsqualität mit kurzen Haltestellenabständen. Im Reisezeitenvergleich zum PKW ist der ÖPNV daher auf einigen Relationen noch keine gute Alternative. Wir setzen uns daher für eine Beschleunigung der Busse ein, schnelle Reisezeiten machen den ÖPNV erheblich attraktiver.

Um Treibhausgase zu reduzieren, haben wir mit dem Wasserstoffprojekt eine gute Lösung für einen klimaneutralen ÖPNV gefunden, der durch die Wasserstoff-Produktionsanlage am Müllheizkraftwerk zusätzlich noch für Wertschöpfung im WSW-Konzern sorgt.

Aber der Mobilitätsmarkt hat sich verändert und ebenso die Anforderungen der Menschen an Mobilität. Individuelle, flexible und digitale Lösungen sind gefragt. Wir brauchen die Integration neuer Mobilitätsangebote, die Kooperation mit weiteren Akteuren und einen starken Umweltverbund aus Bus, Schwebebahn, Fahrrad und Fußgängern. Eine wichtige Rolle spielt dabei in Wuppertal das vielfältige ehrenamtliche Engagement, wie etwa die Initiierung von Mobilstationen in der Nordstadt und am Arrenberg oder die Arbeit unserer langjährigen Bürgerbuspartner in Ronsdorf und Cronenberg.

Mit der Hol mich! App haben wir ein digitales Angebot, dass auf sehr positive Resonanz stößt. Das digitale Ticketing hat in den letzten Jahren ganz klar an Bedeutung gewonnen. Fast die Hälfte aller neu abgeschlossenen DeutschlandTickets wurden über die WSW-Ticket-App gekauft. Wir bauen die digitalen Ticket- und Auskunftsservices kontinuierlich weiter aus und arbeiten gerade an einem kompletten Relaunch der WSW move-App. Wir wollen weitere Mobilitätspartner in unsere digitalen Produkte einbinden und Mobilität noch stärker aus einer Hand anbieten.

Das alles ist eine sehr gute Grundlage, um Mobilität in Wuppertal noch attraktiver, nachhaltiger und klimafreundlicher zu machen. Dafür setzt sich jeder Mitarbeiter und jede Mitarbeiterin der WSW mobil tagtäglich ein. Wir wollen Wegbereiter für einen nachhaltigen und zukunftsfähigen Nahverkehr sein.

Text: Rainer Friedrich
Foto: Claudia Kempf